Auf „Umwegen“ nach Quito
Als ich heute Morgen Daggi anrief, meinte sie, die Verbindung sei schlecht: es würde so rauschen! Nein, sagte ich, die Verbindung ist gut, es regnet wie die Hölle. Und so war es auch. Von der Terrasse aus konnte man die Berge nicht mehr sehen, und es kam ein wirklich kräftiger Regen runter, dessen Geräusch durch die Blechdächer noch verstärkt wurde. Tena verabschiedet sich tränenreich von mir. Zu allem Übel verabschiedete sich dann auch noch das Internet, so dass meine morgendliche Zeitungslektüre leider ausfallen musste.
Und ich dachte, Regen und Internet-Ausfall seien meine großen Probleme des Tages gewesen.
Nein, da geht noch mehr. Als ich auschecken wollte, überraschte mich der Sohn des Wirtes mit einer schlechten Nachricht: die Straße nach Quito ist den ganzen Tag lang (wahrscheinlich wegen mehrerer Erdrutsche) unpassierbar . Kein Bus, kein Taxi: niemand kommt nach Quito. Erst wieder voraussichtlich ab 17 Uhr.
Spoiler: um diese Zeit fährt auch kein Bus mehr!
Shit!
Die Alternative ist das Taxi. Ich habe es jetzt gebucht und bin gespannt.
Leider mache ich jetzt hier auch nicht mehr viel. Ich kann stumpf auf das Taxi warten oder traurig das Busticket, das ich gestern gekauft habe, ansehen. So bis 2 Uhr darf ich in dem Zimmer bleiben, danach kann ich in der Lobby warten. Wenigstens etwas.
Aber was soll‘s! Irgendwas passiert immer, und wenn es etwas ist, was sich leicht lösen lässt, ist es Teil des Spiels!
Gegen Mittag bin ich dann mal runter in die Stadt gelaufen, und habe mir im Supermarkt eine von diesen Nudelsuppen im Pappbecher gekauft, die man nur mit warmem Wasser aufgießen muss, damit ich was im Bauch habe und damit die Zeit auch ein wenig rum geht.
Bis dahin hatte ich mir Videos auf YouTube angesehen oder habe einfach auf dem Bett gechillt.
Langweilig!
Gegen 15:00 Uhr hörte dann der Regen auf und auch sofort kam die Hitze wieder zurück. Auf dem Weg in die Stadt kam ich an einem kleinen Drecks-Bächlein vorbei. In den vergangenen Tagen floss da ein dünnes Rinnsal und vermochte den Schmutz und den Abfall nicht weg zu schwemmen.
Jetzt schätze ich, dass das Wasser 70-80 cm tief ist und dass es mit Sicherheit schwierig sei sein würde, sich in dem Wasser stehend auf den Beinen zu halten. Wenn hier Wasser kommt, ist es viel Wasser.
Als ich an dem kleinen Busterminal, vorbeikomme, sind dort viele Leute und warten auf Busse in die nähere Umgebung, ich deute das als gutes Zeichen, dass vielleicht die Strecke nach Quito auch bald frei sein wird.
Der Engländer hatte mir noch erzählt, dass die Strecke landschaftlich unglaublich schön sein soll und sehr abwechslungsreich.Berge, Täler, Flüsse Wasserfälle, alles wäre da zu sehen und auch ein paar sehr atemberaubende Straßen, wenn es die Berge hochgeht. Das alles werde ich natürlich heute Abend verpassen, da so gegen 18:00 Uhr oder 18:30 Uhr die Sonne untergeht.
Um 20 vor 5 holte mich dann der Fahrer als ersten ab. Es war ein kleiner, recht komfortabler Bus.
Wir fahren ein Stück am Rio Tena emtlang und auch der hat sehr braunes Wasser und auch deutlich mehr davon, als in den letzten Tagen. Es ist bewölkt und teilweise hängen die Wolken auch tief in den Bergen drin. Es sind knapp 200 km und auch Google geht mindestens von einer Fahrzeit von dreieinhalb Stunden aus. Wir sind mit vier Fahrgästen in dem Auto und haben natürlich viel Platz, sicherlich ein Vorteil gegenüber der Busfahrt
Im Prinzip ist die Straße von der Oberfläche ganz in Ordnung. Es gibt ein paar Schlaglöcher, aber nicht so furchtbar viele. Sie ist unglaublich kurvenreich und damit ein Paradies für Motorradfahrer. Nach 1 Stunde sind wir schon auf 1300 m. Und hier sieht man auch zunehmend die Straßenschäden. Ich kann jetzt nicht klar sagen, welche Erdrutsche frisch sind und welche vielleicht von den letzten Tagen herrühren, aber ich denke die, wo noch frische Flatterbänder dran sind, sind die aktuellen. Und es sind nicht wenige!.
Die Strecke ist an mehreren Stellen einspurig und wir müssen jeweils warten, bis die andere Seite durch ist. Dadurch wird die Schlange, mit der wir uns in Richtung Quito bewegen, immer länger und natürlich besteht sie überwiegend aus schweren LKW. Das drückt natürlich auf die Durchschnittsgeschwindigkeit und die Gefahr, dass ich den Typen hinter mir, der laut auf dem Handy irgendwelche Sachen hört, erschlagen werde.
Dann wird es dunkel und spätestens seit der schrägstehenden untergehenden Sonne sieht man, wie schmutzig die Scheiben des Wagens von innen sind. Damit würde ich nicht fahren! Als es dann ganz dunkel wurde fiel mir auch auf, dass die Lichter des Wagens sehr funzelig sind. Als ob da Kerzen drin stehen. Auch das gibt einem auf dieser kurvigen Strecke kein gutes Gefühl.
Langsam wird es auch kalt im Auto. Einen Blick auf das Handy zeigt, dass wir auch wieder auf 3400 m sind. Kein Wunder! Dann endlich nähern wir uns Quito. Der erste Passagier wird am Flughafen abgesetzt und wenn man bedenkt, dass allein die Fahrt vom Flughafen in die Stadt zwischen 25 und 30 $ kostet, sind die 25 $ von Tena bis hierher (Haustür zu Haustür) ein guter Kurs.
Und dann ist es soweit und um kurz vor zehn setzt mich der Fahrer an meinem Hotel ab. Nach dem einchecken frage ich den Portier aber auch fast schon ohne jede Hoffnung, ob es hier noch irgendwo ein Restaurant gibt wo ich was zu essen bekommen kann. Die Antwort wusste ich aber schon vorher.
Nur 20km südlich des Äquators aber 2850m über dem Meeresspiegel leben die knapp 3 Millionen Einwohner von Quito, der Hauptstadt von Ecuador. Die Stadt ist umgeben von Vulkanen, z.B. der 4.690m hohe Rucu Pichincha oder der 4.794m hohe Guagua Pichincha. Etwas weiter entfernt sind dann noch Vulkane, die knapp unter der 6.000ender Marke bleiben. Es sind insgesamt 14 Vulkane, die das Leben hier spannend machen. Hier in Quito scheint es keinerlei Wetterberichte zu geben. Es lohnt sich nicht. Die mittlere Tagestemperatur liegt bei 13 Grad (Sommer wie Winter), das Maximum bei 18-19 Grad, die einzige Variable scheint der Regen zu sein.
Die Gründungslegende erzählt von Quitumbe und seiner Frau Lira, die hier auf dem Rucu Pichincha eine Sintflut überlebt haben. Man geht davon aus, dass die Hochebene seit 1500 vor Christi Geburt bewohnt ist. Wie fast überall kamen erst die Inka und dann die Spanier hierher und beanspruchten das Gebiet.
Eine andere Geschichte berichtet von den Quitu.
Das Volk der Quitu gründete Quito und regierte das Gebiet ab etwa 2000 v. Chr. Sie wussten nicht nur, dass sie sich in der Mitte der Welt befanden, sie gaben diesem Ort sogar ihren Namen - „Qui“ bedeutet Mitte und „tu“ Erde. Alte Sonnenuhren aus Quitu wurden schon lange vor dem Erscheinen des Äquators auf westlichen Karten verwendet. Die Quitu markierten den Äquator auch mit einer zeremoniellen Stätte am Catequilla - einem strategischen Aussichtspunkt auf einem Berggipfel mit astrologischer Bedeutung.
Französische Geodäten führten 1736 eine Expedition nach Quito. Man hatte den Ort als Forschungsstandort am Äquator ausgewählt, wo ein Team unter der Leitung des französischen Astronomen Charles Marie de la Condamine mit seinen Studien begann. Drei lange Jahre später, trotz mehrerer Todesfälle und Unfälle, die dem Team widerfuhren, wurde die Studie erfolgreich abgeschlossen. Sie hatten eindeutig bewiesen, dass die Erde nicht perfekt rund ist . Am Äquator gibt es eine Ausbuchtung und der Planet ist an den Polen abgeflacht. Die Studie führte schließlich auch zur Entstehung des modernen metrischen Systems .
Die Entdeckung der Äquatorausbuchtung hat zu einem bemerkenswerten Ruhm für den höchsten Vulkan Ecuadors geführt. Danach ist der Vulkan Chimborazo der höchste Gipfel der Erde und stellt sogar den Mount Everest in den Schatten.
Während der Everest in bezüglich der Höhe über dem Meeresspiegel der Gewinner sein mag, ist der Vulkan Chimborazo unschlagbar, was die Entfernung vom Mittelpunkt des Planeten angeht.
Heute ist Quito eine moderne Stadt, liegt aber in der Rangliste der lebenswertesten Städte nicht unter den ersten 10. Sie belegt (weltweit) Rang 122 unter 231 Städten. Montevideo ist mit 77 weiter vorne, Mexico City (war vor ein paar Jahren noch eine „Mords-Stadt“) ist auf 129 und Caracas konnte sich Rang 193 sichern. Chapeau!
Quito wurde 1978 zusammen mit Krakau als erste Stadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Altstadt von Quito ist beliebt wegen ihrer gut erhaltene kolonialen Architektur, der Kirchen und der malerischen Plätze.
Dieser Weg war voller Spannung, aber ohne echte Gefahren.
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