Sonntag, den 2.3.2025 Tulpensonntag

Nach einer erholsamen Nacht bekam ich heute ein leckeres Frühstück. Der Kaffee war nicht von schlechten Eltern. Irgendein Tassenboden war nicht zu sehen. Wenn er nicht so verdammt wohlschmeckend gewesen wäre, hätte man damit auch Weichholzmöbel abbeizen können. Und ja, danach war ich sehr wach.


Meine dunkelhäutige Nachbarin Miriam kommt aus Französisch Guayana und ist das, was man ein Plus Size Model (sie ist etwa so groß, wie ich, hat aber, auch, wenn das kaum zu glauben ist, ein paar Gramm mehr auf den Rippen) nennt. 

Sie hat ein sehr hübsches Gesicht und fährt heute nach Punta del Este. Das wird mein übernächstes Ziel sein. 


Als sie auscheckt, schleppt sie eine riesige Reisetasche zum Taxi. Und mit riesig meine ich riesig. Sie kommt zurück in ihr Zimmer und ich höre ein Rumpeln und ein Stöhnen. Ich schaue und sehe, wie sie einen gigantischen Koffer aus ihrem Appartement zerrt. Durch meine Aufenthalte im Sportstudio ermutigt gehe ich natürlich hin und biete meine Hilfe an. 


Zur Verdeutlichung: der Koffer hat Ausmaße, dass ein ausgewachsener Neufundländer bequem darin Platz finden könnte. Sekunden später war mir dann auch klar, dass auch das Gewicht des Gepäckstücks dem eines Neufundländers entsprach. Zuerst versuchte ich, den Koffer mit einer Hand zu heben, besannen mich aber dann eines Besseren. Keine Ahnung, wie sie mit dem Gepäck hierhergekommen ist.








Ich bin dann durch die menschenleeren Straßen in Richtung Fährhafen spaziert, weil da auch das Busterminal ist. Ich kaufte ein Ticket für morgen und setzte meinen Spaziergang fort.


Die kleine Stadt mit ca. 27.000 Einwohnern bezieht ihren Wert vor allem durch die Nähe zu Buenos Aires. Mehrere Fähren verbinden die beiden Orte. Der Ort blickt auf eine lange Geschichte mit Brasilianern, Spaniern und Portugiesen zurück und auch die Engländer und die Argentinier haben einen Blick auf die Stadt geworfen. Heute lebt hier der Frontmann der „Böhsen Onkelz“. Die Altstadt von Colonia del Sacramento ist Unesco Weltkulturerbe.














Die Altstadt ist von einer großen Mauer umgeben, und dahinter sind kleine Straßen aus der portugiesischen Vergangenheit. Die Kallie de los Suspiros ist eine der typischen Straßen mit portugiesischen Häusern aus der ersten Kolonialphasen mit einem Abfluss für Regen in der Mitte der Straße.














Direkt daneben ist der Plaza Major, der ursprünglich für Militärparaden  gedacht war.


Als Nächstes kam ich zu der alten Festung mit dem Leuchtturm, und wie immer musste ich da natürlich auch raufklettern. Die Wendeltreppe war in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung: einmal war es sehr eng, und auch auf den Kopf musste man aufpassen und ja, es waren eine Menge Stufen. 














Aber oben wurde man belohnt, weil es einen grandiosen Ausblick gab. Direkt daneben ist ein (sehr) kleines Marinemuseum, das aber nur geringe Informationen über die Seefahrer Vergangenheit der Eroberer verriet.


Die winzige Altstadt ist wirklich sehenswert. Kleine Gassen, in denen tatsächlich noch normale Wohnhäuser stehen und natürlich auch Restaurants und Cafés. Natürlich sind heute am Sonntag auch viele Touristen hier, was ich aber auch gut verstehen kann. Schließlich bin ich einer von Ihnen.


Es ist heute nicht so warm (ca. 25°) und es geht auch ein leichter Wind. Aber es ist schon ganz schön drückend und ich bin gespannt wie mir die zu erwarten 32° in Paraguay schmecken werden.












Gegen 11:30 Uhr eskaliert dann der Besucherstrom, so dass man zwar noch durch die Altstadt spazieren kann (einigermaßen) aber der Besuch von einzelnen alten portugiesischen Häusern oder Museen ist illusorisch geworden. Überall sind Schlangen und man muss relativ lange warten.


Was heute hier nicht ist, ist Karneval. Zuhause drängeln sich an diesem Tag über 100.000 Leute auf der Kö und hier merkt man nichts davon.


Gute Nachmittag fing es leider an, zu regnen. Das ist natürlich weniger schön, weil ich nun die Wahl hatte, die Regenpelle anzuziehen oder nass zu werden. Ich entschied mich für die zweite Option, weil bei diesen Temperaturen unter dem Gummi zu schwitzen keine gute Wahl gewesen wäre.


Spazierte gemütlich durch das historische Zentrum, dass nun natürlich auch leerer geworden war. Gemütlich schlendern ist immer ein Zeichen dafür, dass man Tourist ist. In südamerikanischen Ländern ist es nicht ungefährlich, da man sich so auch als mögliches Opfer outet. Normalerweise gehe ich, wenn ich mich nicht sicher fühle, sehr zügig, so, als ob ich irgendwo hin müsste. Das hat bisher immer gut geklappt. Aber hier fühle ich mich sicher. Das gilt auch für Buenos Aires, zu mindestens tagsüber..


Aber natürlich bin ich als Tourist erkennbar. Da ist die blasse Haut, aber vor allem ist da das Fehlen eines Mate-Bechers in der Hand. Gefühlt bin ich hier der Einzige ohne so ein Ding. Oft haben die Leute Thermosflaschen dabei und dazu diesen Typischen Becher mit dem „Strohhalm“. Das ist ein (Metall)röhrchen mit einem Filter unten dran, damit nur Flüssigkeit eingesogen wird. Mate to go! Die sind verrückt hier!






Aus dem Internet weiß ich: 

Der Karneval in Uruguay ist der längste der Welt und dauert von Januar bis Anfang März. Er endet mit Tablados – abendlichen Shows auf Bühnen in Montevideo, bei denen Karnevalsgruppen auftreten. Diese Shows bieten Komödien, Pantomimen, Musik, Parodien und Tanz.


Ein Highlight sind die Murgas: Künstlergruppen, die mit Gesang, Tanz und Satire das Publikum unterhalten. Sie nutzen ihren Auftritt, um soziale und politische Themen kritisch zu beleuchten. So wird der Karneval zur Plattform für freie Meinungsäußerung und kulturellen Widerstand.


Ein weiteres Highlight sind die Llamadas, die Karnevalsumzüge in Montevideo. Candombe-Gruppen ziehen trommelnd durch die Straßen. Der Begriff geht auf das Wort „Kerzenschein“ zurück, da die Tänze abends aufgeführt werden. Candombe ist ein Musik- und Tanzstil, der von den afrikanischen Sklaven abstammt. Er gilt als der Nationaltanz in Uruguay, wird aber auch jenseits des Rio de la Plata in Argentinien getanzt. Dabei führen Fahnenträger, Tänzerinnen, Samba-Künstler und Musiker lebhafte Paraden auf.


Typisch sind auch Theaterwettbewerbe der Murga- und Humoristengruppen, die Politik und Gesellschaft satirisch kommentieren. Der Karneval in Uruguay verbindet so Unterhaltung, Kultur und kritische Reflexion.

Ob ich morgen in Montevideo mehr Karneval sehe? 


Kommentare

  1. Lieber Jo, heute zum ersten mal Deinem Blog gefolgt. Musste ein paar Tage Deiner Reise nachholen. Wie immer super interessant, gut geschrieben. Ich mag Deinen subtilen Humor.

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